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Sie bringen sie wieder in Takt, die Kirchturmuhr in Goslar. Dafür verantwortlich ist Gerhard Wilde. Seit Jahrzehnten kommen die Experten aus der Uhrmacherwerkstatt, die seiner Familie gehört: „Etwa einmal die Woche bin ich oder ein Mitarbeiter zur Kontrolle im Turm. Die Uhrtechnik ist um 1848 entstanden und da hatten wir andere Genauigkeitsanforderungen als heute. Durch Temperaturunterschiede arbeitet das Uhrwerk unterschiedlich. Und das regulieren wir regelmäßig.“
Goslarer Uhrenmacher bringen russische Uhren in Takt
Sein Wissen über historische Uhrwerke ist seine Marktlücke. Gemeinsam mit anderen Meistern gründete er einen Fachkreis – ihr Können ist international gefragt. Regelmäßig reist Wilde mit ihnen nach St. Petersburg an den ehemaligen Zaren Hof: „Über private Kontakte gab es damals Zugang zum Hof. Dort sind über 420 Uhren, die nicht liefen. Für uns wurde eine Werkstatt eingerichtet mit Stromversorgung. Die Technik haben wir in unseren Koffern mitgebracht.“ In der Sowjetunion war das private Handwerk verpönt. Es zählte Masse statt Klasse. Deswegen fehlen heute die Experten. Und Gerhard Wilde und seine Kollegen verbringen ihren unbezahlten Arbeitsurlaub gerne in St. Petersburg: „Wir haben gerade in Peters Hof so einiges an ausgefallenen Stücken in der Hand gehabt. Die Schreibtischuhr von Peter dem Großen beispielsweise. Das war ganz spannend, die wieder zum Laufen zu bringen. Im Grunde ist das eine ganz einfache Technik.“
Mit ruhigem Händchen werden Uhren repariert
Die alten Uhren können nur mit Fachwissen repariert werden. Experten wie Gerhard Wilde wollen und können die historischen Uhren als Kulturgut erhalten. Viele der Uhren, zum Teil aus Massivgold, sind für Wilde selbst unerschwinglich. Auch in seinem Geschäft warten immer wieder ausgefallene Chronometer auf seinen Expertenblick. Mehr als 200 Jahre alt ist manche Silberuhr. Die überholt Wilde – und das klappt nur mit seinem Fachwissen und Spezialwerkzeug für den Mikrometerbereich. Neben Schraubenziehern, Pinzetten und Lupen brauchen die Uhrenmacher vor allem ein ruhiges Händchen.
Uhrmacher-Dynastie noch ohne Nachfolge
Bereits der Großvater von Wilde war Uhrmacher. Geheiratet hat Gerhard Wilde die Tochter eines Uhrmachermeisters. Liebe auf den ersten Tick. „Bei uns tickt ’s im Gebälk seit Jahrhunderten. In diesem Geschäft schon seit 1794“, sagt er. Für die Zukunft haben seine beiden Töchter andere Pläne, sie möchten nicht ins Uhrmacherhandwerk einsteigen. Wer die Nachfolge antritt, ist deshalb noch offen. Sein Wissen aber, möchte Wilde gerne weitergeben – er ist schließlich einer der 300 letzten Uhrmacher Niedersachsens.